Ernährung bei älteren Menschen im Krankenhaus

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Welche Folgen kann Mangelernährung haben, und worauf muss das Behandlungsteam achten? Dr. med. univ. Iris Siebert erläutert aus geriatrischer Sicht einige wichtige Aspekte zum Thema Ernährung bei älteren Menschen im Krankenhaus. Dr. Siebert leitet am Krankenhaus Vilshofen den akutgeriatrischen Fachbereich.

Eine richtige Ernährung bei älteren Menschen ist wichtig. (Foto: Monkey Business - fotolia.com)

Eine richtige Ernährung bei älteren Menschen ist wichtig. (Foto: Monkey Business – fotolia.com)

Warum sollten sich Ärzte, entweder im ambulanten Bereich oder im Akutkrankenhaus, überhaupt Gedanken um die Ernährung bei älteren Menschen machen?

Dr. Iris Siebert: Vielfache Studien haben gezeigt, dass ein hoher Anteil der Älteren (allgemein gesprochen Personen über 70-75 Jahre) von Mangelernährung betroffen ist oder ein hohes Risiko für eine Mangelernährung hat. Je nach Untersuchung wird hier von bis zu zwei Drittel bei in Pflegeeinrichtungen lebenden Menschen und bis zur Hälfte der in Akutkrankenhäusern behandelten Personen ausgegangen. Zur Erklärung: Von Mangelernährung sprechen wir, wenn ungewollt innerhalb von drei Monaten ein Gewichtsverlust von mehr als 5 Prozent oder innerhalb von sechs Monaten ein Gewichtsverlust von mehr als 10 Prozent eingetreten ist, bzw. wenn der BodyMassIndex (BMI = Körpergewicht in kg/Körpergröße zum Quadrat) unter 20-22 liegt. Vom Risiko einer Mangelernährung sprechen wir, wenn voraussichtlich mehr als drei Tage keine Nahrungsaufnahme möglich sein wird oder wenn über mehr als 10 Tage weniger als die Hälfte der nötigen Menge gegessen werden kann. Zu einem Risiko für Mangelernährung kann es auch kommen, wenn mehrere Risikofaktoren wie eine akute Erkrankung, neuropsychiatrische Erkrankungen oder Immobilität zusammenkommen.

Wie aber kommt es zur Mangelernährung?

Dr. Siebert: Die Faktoren sind vielfältig, beispielsweise Kauprobleme, Schluckprobleme, Beeinträchtigung der oberen Extremitäten, eingeschränkte Mobilität oder Immobilität, geistige Beeinträchtigungen, depressive Stimmung oder Depression, Einsamkeit, soziale Isolation, gastrointestinale Erkrankungen und Beschwerden, sonstige akute Erkrankungen, (chronische) Schmerzen, Medikamenten-Nebeneffekte oder restriktive Diäten. Die Vielfalt der möglichen Ursachen macht es zum Teil auch so schwer, eine einfache Lösung zu finden.

Ist es denn wirklich so schlimm, wenn man im Alter ein bisschen zu wenig wiegt?

Dr. Siebert: Die Folgen der Mangelernährung werden auf den ersten Blick oft nicht gesehen. Zunächst kommt es nur zu Müdigkeit und allgemeiner Schwäche, da zunehmend das Körpereiweiß verbraucht wird. Hier kommt es also Ernährung bei älteren Menschen im Krankenhaus zum Abbau von Muskelgewebe. Weniger Muskelmasse bedeutet aber nicht nur eine Verringerung der Muskelkraft der Arme und Beine und somit ein erhöhtes Sturzrisiko mit all den möglichen Verletzungsfolgen. Auch die Herzmuskulatur wird schwächer, eine möglicherweise bereits vorbestehende Herzschwäche kann noch verstärkt werden. Ebenso kann die Atemmuskulatur mit betroffen sein und somit negative Folgen der Vitalkapazität, der Belüftung und der Selbstreinigung der Lunge eintreten. Nicht zu vergessen sind die geschwächte Immunabwehr, schlechtere Wundheilung und häufigeres Auftreten von Wundliegen. Darüber hinaus baut auch das Verdauungssystem ab, und so kann ein Teufelskreislauf beginnen.

„Rund ist gesund?“

Dr. Siebert: Auch wenn es sich reimt, trifft es nicht generell zu. Nur weil jemand leicht oder schwer übergewichtig ist, heißt das nicht, dass er gut ernährt ist. Viele Übergewichtige weisen ausgeprägte Mangelzustände auf, sei es nun das Gesamteiweiß, Vitamine oder Spurenelemente betreffend. Allgemein ist es so, dass im Alter der Fettanteil physiologischerweise höher bzw. die Körpergröße kleiner wird. Daher kommt es auch, dass im Alter ein anderer Normbereich des angestrebten BMI von 22-30 gilt. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Sterblichkeit von alten Menschen mit einem BMI kleiner 20 höher ist. Aber auch die Sterblichkeit der stark Adipösen (BMI größer 40) steigt im Vergleich zu Normalgewichtigen oder leicht Übergewichtigen massiv.

Welche Konsequenzen sollten diese Erkenntnisse im Krankenhaus nach sich ziehen?

Dr. Siebert: Mittels eines sogenannten „Mini Nutritonal Assessment“ (MNA) können Risikopatienten bereits bei der Aufnahme bestimmt werden. Auch hilft eine regelmäßige Gewichtskontrolle. Es ist wichtig, dass eine ausreichende orale Ernährung auch in Krisensituationen erreicht wird, dafür sollten die Präferenzen der Patienten bekannt sein. Der Küche kommt eine besondere Rolle zu: Bei Bedarf kann sie angereicherte Speisen oder Zwischenmahlzeiten, zum Beispiel hochkalorische Shakes als Spätmahlzeit zur Verfügung stellen.

Welche Maßnahmen sind zu ergreifen, wenn nicht ausreichend gegessen werden kann?

Dr. Siebert: Stellt man nun fest, dass eine ausreichende orale Ernährung nicht gewährleistet werden kann, so gibt es noch die Möglichkeit der enteralen oder parenteralen Ernährung. Hier bedarf es stets der individuellen Abschätzung der Vor- und Nachteile unter Berücksichtigung des Patientenwillens. Sofern der Betroffene nicht selbst Auskunft geben kann, kann der Patientenwille in Form einer Patientenverfügung vorliegen oder als mutmaßlicher Patientenwille von Angehörigen, Freunden und vorbehandelnden Ärzten erfragt werden. Allgemein gilt jedoch, wenn insgesamt von einer positiven Entwicklung ausgegangen werden kann, dass möglichst schnell mit der Maßnahme angefangen wird.

Dieser Artikel stellt nur einen kurzen Anriss der umfassenden Thematik der Ernährung bei alten Menschen dar und soll das Bewusstsein für die Problematik und Tragweite schärfen. Jeder einzelne Mensch muss individuell betrachtet werden und so auch die Therapie in jedem Fall angepasst werden. Dies gilt besonders auch für die Ernährung und Ernährungstherapie.

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