Depression: Keine Frage des Alters

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Seit Juli ist Dr. med. Hans-Joachim Schmitt Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Südostbayern. Zuvor war er bereits als Leitender Arzt für die stationäre Psychosomatik am Krankenhaus Wegscheid zuständig. In seiner neuen Position leitet Dr. Schmitt nun auch die Psychosomatische Tages­klinik Passau. Sein Ziel ist die Öffnung der stationären Therapieangebote für ältere Menschen. In folgenden Interview gibt der Chefarzt Einblicke in die Thematik.

Chefarzt Dr. med. Hans-Joachim Schmitt, Psychosomatische Klinik Südostbayern in Wegscheid und Passau

Aus welchem Grund bieten Sie in Wegscheid auch Therapieangebote für ältere Menschen an?

Dr. Schmitt: Der demografischen Wandel schreitet immer weiter voran. Laut aktuellen Prognosen wird in knapp 20 Jahren der Anteil der über 60-Jährigen 37 Prozent betragen. 1996 lag dieser Wert noch bei rund 21 Prozent. Den demografischen Wandel bemerkt man auch in den Medien, wo der alternde Mensch zunehmend breiteren Raum einnimmt. Hierbei wird jedoch meist das “optimale (gesunde) Altern” dargestellt. Der glückliche und zufriedene, vitale alte Mensch in aktiver körperlicher wie auch mentaler Freizeitgestaltung und / oder generativer Funktion, in der er seine Erfahrungen an Kinder und Enkel vermittelt. Die Stimmung zeigt sich dabei meist heiter und unbeschwert, der soziale Kontext zeugt von Sicherheit und Wohlstand. Nicht gezeigt wird bei normalem Altern der erfolgende Verlust von körperlicher Leistungsfähigkeit, Verlust von Aufgaben, Freunden, der Zerfall von Familienstrukturen, eine verringerte Lebenszufriedenheit oder geringere finanzielle Ausstattung.

Bekannt ist, dass 96 Prozent der über 70-Jährigen mindestens eine behandlungsbedürftige Erkrankung haben und 30 Prozent mindestens fünf behandlungsbedürftige Erkrankungen. Dies geht mit einer erhöhten Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen einher. Subjektiv stehen dabei die Beschwerden am Bewegungsapparat ganz im Vordergrund, chronische Schmerzen sind bei knapp der Hälfte der über 70-Jährigen von wesentlicher Bedeutung. Der Verlauf von chronischen Schmerzerkrankungen wird durch kausale Verknüpfungen von körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren bestimmt. Das Schmerzerleben ist somit ein bio-psycho-soziales Ereignis und muss als solches verstanden werden. Ein Übermaß an Behinderung und Abhängigkeit fördert Angst und Depression, Rückzug und Vermeidung. Depression und Angst sind Risikofaktoren für Funktionseinschränkungen und verschlechtern den Verlauf von Erkrankungen.

An der Psychosomatischen Klinik Südostbayern am Krankenhaus Wegscheid wollen wir den Blick auf die Herausforderungen im Altersprozess richten, alternden Menschen Hilfe im Umgang mit ihren chronischen Schmerzen vermitteln, Altersstress bewältigen lernen, depressive Symptome in ihren emotionalen Ursachen erschließen und soziale Kontakte und Interaktionen in einer auf Unabhängigkeit besonnenen Gesellschaft wieder aufnehmen helfen.

Haben Sie auch vor, die Therapieangebote für ältere Menschen auf die Psychosomatische Tagesklinik Passau auszuweiten?

Dr. Schmitt: Therapieangebote für Menschen im höheren Lebensalter können, bei geringerer körperlicher Einschränkung, auch im teilstationären Setting der Tagesklink gemacht werden. Jedoch ist hier ein höheres Maß an Vitalität und Leistungsfähigkeit erforderlich allein schon um die täglichen An- und Abfahrtswege bewältigen zu können.

Wann ist eine voll- und wann eine teilstationäre psychosomatische Behandlung nötig und wann reicht eine ambulante Behandlung?

Dr. Schmitt: Eine stationäre Behandlung ist dann anzuraten, wenn durch die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten beim Hausarzt, dem Facharzt oder dem niedergelassenen Psychologen keine ausreichende Stabilisierung der Erkrankung erreicht werden kann und der Patient damit seinen häuslichen Alltag nicht mehr bewältigen kann. Außerdem, wenn die Krankheit wesentlich von den Umgebungsbedingungen verursacht wird und somit eine Distanzierung vom Umfeld erforderlich ist, um Bewältigungsstrategien zu erlernen. Zudem, wenn tägliche fachärztliche Behandlungen und Kontrollen sowie eine multimodale psychosomatische Behandlung erforderlich sind. Und wenn das Aufsuchen von ambulanten Behandlungsmöglichkeiten nicht möglich ist oder solche Kapazitäten in akuten Krankheitsphasen oder Krisen nicht zur Verfügung stehen.

Eine tagesklinische Behandlung ist dann sinnvoll, wenn die Patienten zu Hause in ein gutes Umfeld eingebettet sind, das die Erkrankung nicht verursacht oder fördert und stabilisierende soziale Kontakte vorhanden sind. Auch ist diese Art der Behandlung sehr gut geeignet für Patienten, die Kinder, Angehörige oder Haustiere versorgen müssen. Die Vorteile der tagesklinischen Behandlung bestehen darin, dass die Patienten täglich in ihr häusliches Umfeld zurückkehren und direkt einüben können, was sie in der Therapie erlernt haben. Aufgetretene Probleme können am nächsten Tag in der Tagesklinik besprochen und aufgearbeitet werden.

Wie wird man in der Psychosomatischen Klinik aufgenommen?

Dr. Schmitt: Jeder Patient erhält nach telefonischer Anmeldung einen Termin für ein Vorgespräch, bei dem die Erkrankung diagnostiziert und Therapiemöglichkeiten besprochen werden. Die Termine in Wegscheid am MVZ oder in der Tagesklinik erfordern eine Überweisung bzw. Einweisung vom Haus- oder von einem Facharzt.

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