Harninkontinenz: Urologie kann auch Frauen helfen

Landkreis Passau GesundheitseinrichtungenAllgemein, News, Startseite ROT

Die moderne Urologie bietet viele individuell geeignete Therapiemöglichkeiten bei Harninkontinenz und unkontrolliertem Harndrang – sowohl für Männer als auch für Frauen

MEDIZINBEITRAG VON DR. SC. NIKOLA ZEBIC, CHEFARZT DER UROLOGISCHEN HAUPTFACHABTEILUNG AM KRANKENHAUS ROTTHALMÜNSTER

Für minimalinvasive, sog. endourologische Eingriffe verfügt das Krankenhaus Rotthalmünster über einen speziellen OP-Saal: Chefarzt Dr. Nikola Zebic (v.l.) mit den beiden endourologischen Fachassistentinnen Vivien Varnyu (Leitung) und Daniela Huber vor dem digitalen Röntgentisch.

25 bis 50 Prozent aller Frauen weisen eine Form von Harninkontinenz auf. Bisher wurde der Diagnose wenig Bedeutung zugemessen, da Betroffene das Problem einerseits nicht gerne artikulieren und die Therapien andererseits meist invasiv operativ waren und nicht alle funktionellen Defekte korrigieren konnten. Die moderne Urologie bietet mittlerweile viele individuell geeignete Therapiemöglichkeiten, um die Inkontinenz schonend zu beseitigen oder zumindest deutlich zu verbessern.

Ursachen für Harninkontinenz bei der Frau

Dass Frauen häufiger an Harninkontinenz leiden, hat verschiedene Hintergründe: Ihre im Vergleich zum Mann kürzere Harnröhre sowie die Folgen von vaginalen Geburten, mehreren Schwangerschaften oder Wechseljahren begünstigen die Entstehung eines schwachen Beckenbodens, der oft zu einer Belastungsinkontinenz führt. Nur vier Prozent der Frauen mit einem geschwächten Beckenboden hatten keine Schwangerschaft oder Entbindung. Weitere Risikofaktoren stellen zunehmendes Alter, Veränderungen im Kollagenstoffwechsel, neurologische Erkrankungen oder erhöhter intraabdominaler Druck durch z. B. einen hohen Body-Mass-Index oder Rauchen mit konsekutivem Husten dar. 

Die Diagnostik und Therapie der Harninkontinenz werden eine der großen Herausforderungen der Zukunft.Chefarzt Dr. sc. Nikola Zebic, Facharzt für Urologie

    Häufige Formen der Harninkontinenz

    • Belastungs- oder Stressinkontinenz (Blasenschwäche): Ungewünschter Harnverlust bei plötzlicher körperlicher Anstrengung wie Husten, Lachen, Niesen. Ursache ist meist eine Senkung der Organe des kleinen Beckens, sodass der Schließmuskel bei erhöhtem Bauchinnendruck den Urin nicht mehr halten kann.
    • Dranginkontinenz: Plötzlich auftretender starker Harndrang führt zum Urinverlust, bevor die Toilette erreicht werden kann. Ursache ist meist eine Störung des Detrusor-Muskels, der an der Entleerung der Harnblase beteiligt ist.
    • Mischharninkontinenz: Unwillkürlicher Harnverlust, der einerseits mit imperativem Harndrang und anderseits mit körperlicher Belastung, Niesen oder Husten assoziiert ist.
    • Genitalprolaps: Absenken und Hervortreten der Blase, der Gebärmutter oder des Enddarms aus der Scheide.
      • Inkontinenz bei Prostatavergrößerung: Gutartige Vergrößerung der Prostata engt die Harnröhre so ein, dass die Blase nicht vollständig entleert werden kann und sich rasch wieder füllt. Die Therapie besteht meist in der operativen Entfernung des gutartigen Prostatagewebes, z. B. durch die schonende Thulium-Laser-OP.
      • Stressinkontinenz: Tritt in der Regel nach Operationen im kleinen Becken auf wie z. B. bei Enddarm- oder Prostatakrebs.

      Diagnose: Harninkontinenzabklärung

      Zur Diagnosestellung werden die Patientinnen und Patienten der urologischen Hauptfachabteilung am Krankenhaus Rotthalmünster zur kompletten Harninkontinenzabklärung gebeten. Dazu gehören:

      • Anamnese,
      • Miktionsprotokoll,
      • klinische Untersuchung,
      • Untersuchung mit Ultraschall,
      • Röntgen mit Kontrastmittel (Zystogramm),
      • Blasenspiegelung (Zystoskopie) und
      • urodynamische Untersuchung.

      Einen besonderen Stellenwert nimmt die Urodynamik ein. Sie setzt sich im Wesentlichen aus drei Untersuchungen zusammen, mit denen sich die funktionellen Abläufe des Harntrakts genau messen lassen:

      • Blasendruckmessung,
      • Harnstrahlmessung und
      • Harnröhrendruckprofil.

      • Ablauf der Urodynamik / Uroflowmetrie

        Zunächst wird die Blase computergesteuert über einen dünnen Blasenkatheter langsam mit warmer Kochsalzlösung gefüllt. So wird eine natürliche Füllung der Harnblase simuliert. Über den Katheter wird währenddessen der Druck in der Harnblase bestimmt und die Patienten befragt, ob sie einen Harndrang verspüren und wie stark dieser ist. Auch eventuell auftretende ungewollte Urinverluste werden während der Messung dokumentiert. Wenn die Blase so stark gefüllt ist, dass die Patienten einen Harndrang verspüren, folgt die Entleerung.

        Dabei werden die Druckwerte des Harnstrahls gemessen (Uroflowmetrie). Die umfangreichen Messdaten geben dem Urologen Aufschluss über funktionelle und / oder anatomische Störungen, wie beispielsweise eine neurogene Blase (durch Störung im Nervensystem), eine Obstruktion (Verengung bzw. Abflussstörung) oder ein Genitalprolaps (Absenken und Hervortreten der Organe des kleinen Beckens).

      • Das Urodynamik-Gerät neben Chefarzt Dr. Zebic gibt Aufschluss über die verschiedenen Ursachen von Harnwegserkrankungen.

      Konservative Therapien

      In den meisten Fällen ist die Inkontinenz gut behandelbar und sogar komplett heilbar. Je nach Art und Stärke der Inkontinenz werden zunächst alle verfügbaren konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft, um den unkontrollierten Harndrang zu verbessern. Zum Beispiel: 

      • Beckenbodentraining,
      • regelmäßiges Blasentraining,
      • medikamentöse Therapie oder
      • ggf. auch eine Gewichtsreduzierung, um den Druck auf die inneren Beckenorgane zu verringern.

      Moderne operative Behandlungsmethoden

      Bleiben alle konservativen Verfahren erfolglos, können an die Inkontinenzform angepasste operative Eingriffe weiterhelfen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn über den unkontrollierten Harndrang hinaus eine physiologische Veränderung – wie z. B. ein Genitalprolaps – vorliegt.

        Eine hyperaktive Blase kann durch das Injizieren von Botox in den Blasenmuskel beruhigt werden. Die Wirkung hält für circa sechs Monate bis zu einem Jahr an.

        Zur Behandlung eines geschwächten Beckenbodens als Ursache für eine Belastungsinkontinenz gibt es die Möglichkeit, stützende Bänder (TOT/TVT) unter die Harnröhre einzulegen. Der minimalinvasive Eingriff ist sehr hilfreich, um die Harninkontinenz langfristig zu reduzieren. Am zweiten Tag nach der OP können die Patienten das Krankenhaus meist wieder verlassen.

          Liegt eine Absenkung, ein Genitalprolaps oder eine Dranginkontinenz vor, ist die sog. CESA/VASA-Methode angeraten. Deren Ziel ist es, durch Erneuerung der Haltebänder des Beckenbodens die Organe wieder in ihre korrekte Position zu bringen, um die Funktion und damit die Kontinenz wiederherzustellen.

          Bei einer ausgeprägten Senkungsproblematik kann auch eine rekonstruierende Scheidenplastik (sog. Kolporrhaphie) durchgeführt werden, bei der die weibliche Scheide durch eine vordere bzw. hintere Raffnaht gestrafft wird.

            Über alle modernen Behandlungsmöglichkeiten können sich Betroffene gerne jederzeit unter Tel. 08533/99-2111 in der urologischen Hauptfachabteilung an unserem Krankenhaus Rotthalmünster informieren.

            Zur Fachabteilung