Moderne Anästhesie: Keine Angst (mehr) vor der Narkose

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MEDIZINBEITRAG VON DR. MED. DANIEL MAROLD, NEUER CHEFARZT DER ANÄSTHESIE AM KRANKENHAUS WEGSCHEID

Narkoseärzte wie Marion Donaubauer, leitende Oberärztin der Anästhesie am Krankenhaus Wegscheid, stehen den Patienten vor, während und nach einem medizinischen Eingriff zur Seite.

“Vor der OP hab’ ich keine Angst – ich fürchte mich aber, nicht mehr aus der Narkose aufzuwachen”, diesen Satz hören wir Narkoseärzte nahezu täglich von unseren Patienten. Sich völlig ausgeliefert zu fühlen und sein Leben in die Hände eines Fremden zu geben, schürt verständlicherweise existenzielle Ängste in jedem Menschen. Eine Narkose und Operation prägen sich tief ins Gedächtnis ein – Angst muss davor heutzutage jedoch keiner mehr haben.

Objektiv betrachtet und statistisch gesehen macht es keinen Unterschied mehr, ob man nun einen Tag in Deutschland wach verbringt oder eine Narkose durchlebt – das Risiko, wach oder narkotisiert zu sterben, unterscheidet sich praktisch nicht mehr.

Dr. med. Daniel Marold, Facharzt für Anästhesiologie, Zusatzbezeichnung Notfallmedizin; Facharzt für Allgemeinmedizin

Geschichte

Als Geburtstag der Narkose gilt der 16. Oktober 1846: Der Zahnarzt Morton betäubte in Boston seinen Patienten mit Ätherdämpfen, um ihn am Hals zu operieren. Mit den Worten “Gentleman, das ist kein Humbug” bestätigte der vorsitzende Professor die bahnbrechende Methode. Die folgenden Jahrzehnte brachten immer mehr Erkenntnisse und revolutionierten nach und nach die Narkose. Ab den 1950er Jahren etablierte sich die Anästhesie bei uns als eigenständiges Fachgebiet.

Aktuelle Narkoseformen

Bei schwierigen Intubationsbedingungen hilft die Videolaryngoskopie, um den Beatmungsschlauch unter Sicht sicher in die Luftröhre einführen zu können.

Grundsätzlich unterscheidet man heute zwischen der Vollnarkose (Allgemeinanästhesie) und der Teilnarkose (Regionalanästhesie): Bei der Allgemeinanästhesie verfügen wir über moderne, gut steuerbare und nebenwirkungsarme Medikamente, welche wir per Spritze oder als Gas verabreichen und dadurch das Bewusstsein und das Schmerzempfinden kontrolliert ausschalten können.

Sowohl als einzelnes Verfahren als auch kombiniert mit der Vollnarkose kommt die Regionalanästhesie zum Einsatz: Etabliert sind z. B. die rückenmarksnahen Verfahren, die beim wachen Patienten das Schmerzempfinden der unteren Körperhälfte blockieren. Darüber hinaus können wir mit Medikamenten periphere Nerven betäuben und so bestimmte Körperregionen, wie etwa einen Arm, schmerzfrei machen. Beim sicheren Aufsuchen der Nervenbündel helfen uns moderne Ultraschallgeräte.

Anzahl Anästhesien 

In deutschen Kliniken werden heutzutage jährlich über 17 Millionen Narkosen durchgeführt. In unseren drei Krankenhäusern Wegscheid, Rotthalmünster und Vilshofen sind es durchschnittlich rund 8.500 im Jahr. Hinzu kommen jährlich ca. 1.200 Patienten, die notfallmedizinisch, schmerztherapeutisch und auf Intensivstation von den Anästhesisten betreut werden.

Moderne Anästhesie und Intensivmedizin

Wir bieten unseren Patienten alle aktuellen Anästhesieverfahren in den Krankenhäusern im Landkreis Passau an. Durch moderne Überwachungsmöglichkeiten, neue Medikamente, Training unserer Mitarbeitenden und Risikomanagement können wir bei unseren Patienten ein individuell zugeschnittenes und sicheres Narkoseverfahren planen. Beispiele moderner Technik sind die Möglichkeiten der Patientenüberwachung mit Monitoren und Analysesystemen, zudem auch Geräte für therapeutische Interventionen, wie z. B. ultraschallgesteuerte Nervenblockaden oder Videotechnik für die schwierige Intubation. 

Foto: Geplante Knie-OP: Chefarzt Dr. Daniel Marold führt zur Schmerzausschaltung eine ultraschallgesteuerte Blockade eines peripheren Nervs durch.

Nebenwirkungen 

Trotz aller Bemühungen kann es bei allen Anästhesieverfahren auch Nebenwirkungen und Komplikationen geben. Zu den häufigen gehören Übelkeit, Erbrechen, Zittern, Schwindel und Halsschmerzen oder Heiserkeit durch den Beatmungsschlauch.

Die Befürchtung, dass während der Narkose Hirnzellen absterben könnten, stimmt so nicht wirklich. Nichtsdestotrotz gibt es eine Patientengruppe, die ein sog. postoperatives Delir erleiden kann. Insbesondere Ältere und Vorerkrankte sind dabei für Tage, Wochen, teils Monate in ihren Gehirnfunktionen eingeschränkt. Hierzu zählen Störungen in der Wahrnehmung, des Gedächtnisses, der Orientierung, Aufmerksamkeit oder Konzentrationsfähigkeit. Die Ursachen liegen aber nicht allein bei der Narkose. Die Summe äußerer und innerer Einflüsse (Operation, Schmerz, Entzündung, Infektionen, Vorerkrankungen, fremde Umgebung, Stress, Medikamente usw.) ist hierfür ursächlich.

Informationen für Patienten 

Damit eine Narkose gelingt und die Patienten zufrieden sind, ist die Vorbereitung und Aufklärung wohl das Wichtigste. Vor geplanten Eingriffen findet immer ein ärztliches Aufklärungsgespräch statt. Wichtig hierbei ist, relevante Unterlagen mitzubringen. Dazu gehören z. B. der Medikamentenplan, Laborbefunde, EKG, Allergiepass und hausärztliche Befunde. Am Tag der OP spielt es eine große Rolle, nüchtern zu sein. Das bedeutet: Man darf bis zu sechs Stunden vor Narkoseeinleitung essen und bis zu zwei Stunden davor noch klare Flüssigkeiten trinken. Nach der Narkose werden alle Patienten im Aufwachraum überwacht und solange betreut, bis sie zufrieden zurück auf Station gebracht oder nach Hause entlassen werden können.

Fazit

Mit der modernen Anästhesie und Intensivmedizin haben wir mittlerweile die Möglichkeit, operative und diagnostische Eingriffe sicher und nebenwirkungsarm bei immer jüngeren und immer älteren Patienten durchzuführen. Viele Menschenleben konnten weltweit dadurch gerettet oder lebenswerter gemacht werden. Und so soll auch für die Zukunft gelten: Die Medizin muss und wird sich immer weiterentwickeln – zum Wohle der Patienten.