Divertikulitis: Die “Blasenkrankheit des Dickdarms”

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Jeder zweite Mensch über 50 Jahre besitzt Ausstülpungen in der Darm­wand, sogenannte Divertikel. Momentan zeichnet sich jedoch eine deutliche Tendenz ab, dass die be­troffenen Menschen immer jünger werden (schon ab dem 30. Lebens­jahr).

Beitrag von Chefarzt Dr. med. Michael Zitzelsberger, Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie / Proktologie am Krankenhaus Vilshofen

Diese Erkrankung des Dick­darms, medizinisch als Divertikulo­se bezeichnet oder in der entzündeten Form als Divertikulitis, ist dabei, mit eine der häufigsten Zi­vilisationskrankheiten der westli­chen Welt zu werden. Circa 80% dieser Erkrankungen können konservativ / medikamentös behandelt werden. Bei jedem fünften Betroffenen steht aber auch eine Operation im Raum. Darüber wird im Folgenden aus der Sicht eines erfahrenen Bauchchirurgen der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Krankenhaus Vilshofen genauer berichtet.

Entstehung der Erkrankung

Im Gegensatz zu der Ernährung in vielen ärmeren Gegenden der Welt ist unsere westlich/moderne Nahrungsaufnahme durch relativ hohe Anteile an Fleisch und Kohlenhydraten (Brot und Kleingebäck) gekennzeichnet, was auch als ballaststoffarme Kost bezeichnet wird. Die nachfolgende Grafik soll verdeutlichen, welchen Sinn der Dickdarm für uns hat und warum es zur Ausbildung von Divertikeln kommt, die man auch als Abnützungs- oder Überlastungserscheinungen dieses Organs bezeichnen könnte.

Der natürliche Ablauf der Stuhleindickung (rote Wellen, Pfeile und großer Kreis). Divertikel = kleine schwarze Kreise. Perforation = kleiner roter Kreis. (Grafik: msd.de)

Mit der Nahrungsaufnahme und Beimischung verschiedener Verdauungssäfte sammeln wir etwa acht Liter Flüssigkeit pro Tag im Dünndarm an. Wenn wir am Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm enden würden, käme es zu einem Wasserverlust von diesen acht Litern Darminhalt. Nachdem unser Körper zu 60% aus Wasser besteht, können wir uns einen solchen Verlust nicht leisten. Der Dickdarm ist jetzt neben anderen Funktionen hauptsächlich dafür verantwortlich, dieses Wasser wieder zurückzugewinnen, was man als Resorption bezeichnet. Der erste Teil des Dickdarms transportiert immer noch viel flüssigen Stuhl (rote Wellen), was bezüglich des Vorwärtstransports kaum Schwierigkeiten bereitet.

Dieser Transport passiert dadurch, dass sich die Darmmuskulatur abschnittsweise ringförmig zusammenzieht, während danebenliegende Abschnitte locker bleiben und somit den Stuhl portionsweise aufnehmen können. Dann kontrahiert sich dieser nächste Teil des Darms und so geht es Richtung Ausgang, ähnlich wie sich eine Spannerraupe fortbewegt. Je mehr sich der Stuhl dem Ausgang nähert, desto dicker wird die Stuhlkonsis­tenz und manchmal ist es tatsächlich so, dass dieser mehr Kieselsteinen als weichem Stuhlgang ähnelt.

Der Teil des Dickdarms, der auf der linken Seite des Bauchraums liegt, hat somit am meisten Arbeit zu leisten und muss auch zum Vorwärtstransport sehr hohe Drucke aufbringen. Genauso, wie der Darm auf den Stuhl drückt, drückt dieser auf das biomechanisch weiche Organ Darmwand zurück. An den Stellen, an denen die Blutgefäße zur Ernährung der Schleimhaut wie in kleinen Mauerdurchbrüchen durch die Muskulatur durchgehen, kommt es dann zu einem Auseinanderweichen der Muskelschicht und dem Durchploppen der Schleimhaut, die dann wie eine Kaugummiblase, wie man sie von Kindern kennt, nach außen steht. Die normalerweise zweischichtige Darmwand wird an diesen Stellen dann einschichtig.

Verschiedene Krankheitsformen

Diese dünne, einschichtige Darmwand kann einerseits platzen, was dann zu einem Darmdurchbruch mit Austreten von Stuhl in die Bauchhöhle und zur Bauchfellentzündung führt.
Andererseits bleibt in den Blasen bakterienhaltiger Stuhlgang liegen, was zu Entzündungen in dem betroffenen Darmabschnitt führt. Dies nennt man dann eine Divertikulitis.
Bei jedem fünften betroffenen Patienten kann es jetzt zu einer chronischen = schubförmigen Verlaufsform der Erkrankung kommen, was man dann als chro­nisch rezidivierende Divertikulitis bezeichnet. Solche Schübe können im Abstand von mehreren Jahren, aber manchmal auch bereits im Abstand von mehreren Wochen oder Monaten auftreten. Diese Schübe sind durch mehr oder weniger starke Bauchschmerzen mit Fieber gekennzeichnet.

Durch einen dauerhaft zu hohen Druck im Darm kann sich die Darmwand nach außen wölben und wird an diesen Stellen dünner. Im schlimmsten Fall können diese Stellen platzen, ähnlich wie bei einem Kaugummi. (Foto: Akova/Adobe Stock)

Therapie: Konservativ vs. operativ

Während der Darmdurchbruch immer zu einer notfallmäßigen Operation mit Bauchschnitt und Anlage eines vorübergehenden, künstlichen Darmausgangs führt, wird die akute Divertikulitis zunächst konservativ mit Antibiotika behandelt. Dies bedeutet in der Regel aber auch einen mehrtätigen Krankenhausaufenthalt. In ausgewählten milden Verläufen kann auch mal eine ambulante Antibiotikabehandlung in Tablettenform ausreichend sein.

Wenn mehrere solcher Schübe abgelaufen sind, kann es durchaus sein, dass man einem Patienten empfiehlt, vorbeugend diesen, dann auch chronisch vernarbten Teil des Dickdarms herauszunehmen. Auch bei sogenannten gedeckten Perforationen oder bei Zuständen mit Auftreten eines abgekapselten Abszesses im Bauchraum empfiehlt man die vorbeugende Operation (Resektion). Diese Operationen finden immer dann statt, wenn die Entzündung abgeheilt ist und es dem Patienten eigentlich gut geht, er sogar beschwerdefrei ist.

Manch einer stellt sich dann die Frage: “Warum wollen die mich erst jetzt operieren, wo es mir gut geht und nicht damals, als ich mich vor Schmerzen kaum halten konnte?” Dies hat schlicht und ergreifend technische Gründe. Wenn man ein Stück Darm herausnimmt, muss man den Darm auch wieder zusammennähen. Dazu braucht der Chirurg eine Darmwand, die fest und stabil ist, sodass die Nähte auch halten, sonst entsteht wieder das Problem, dass der Darm undicht wird, wenn die Nähte ausreißen, weil das Gewebe zu schwach ist. Somit funktioniert diese vorbeugende Darmoperation immer dann am besten, wenn keine Entzündung vorliegt, der Patient beschwerdefrei ist, die Entzündungswerte normal sind und vorher durch eine Darmspiegelung eine bösartige Erkrankung des Dickdarms ausgeschlossen wurde.

Modernste Videotechnik

Damit diese geplante, aber durchaus nicht risikolose Operation am Dickdarm ein Erfolg wird, setzt das Team am Krankenhaus Vilshofen modernste Technik ein. Die Operation erfolgt minimal­invasiv (Schlüssellochchirurgie), wobei der Bauch nur so weit aufgeschnitten wird, dass das betroffene Darmstück durchpasst. Das können aber immer noch acht bis zehn Zentimeter sein. Um eine optimale Lösung zu erreichen, kommen dafür die besten technisch möglichen Optionen zum Einsatz: HD-­ und 3D-Bildschirme.

Nicht alle Menschen sind gleich, nicht alle Befunde sind gleich, auch wenn es die gleiche Diagnose ist. So wird in einer ambulanten Sprechstunde von erfahrenen Chirurgen für die jeweils Betroffenen eine individuell maßgeschneiderte Lösung erarbeitet.

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